«In der Krise muss authentisch kommuniziert werden»

Karl Wüthrich, Rechtsanwalt und Dr. Filippo Th. Beck, Partner, Wenger Plattner

IRF wird 20 Jahre alt. Sie haben mit Ihrem Team bei Wenger Plattner sogar etwas länger den Fall Swissair bearbeitet, zuerst in der Funktion als Sachverwalter, dann als Liquidator. Welches waren in der Retrospektive die kommunikativen Höhepunkte während dieser 20 Jahre?

Filippo Th. Beck: Sicher mal die erste Pressekonferenz im Marriott Hotel, die wir mit Ihnen organisiert haben.

Die Gläubigerversammlung in Winterthur? Der Bericht von EY?

Karl Wüthrich: Die Pressekonferenz war sicherlich entscheidend. Da haben wir alle zusammen die Grundlage geschaffen, damit wir über die letzten zwanzig Jahre kaum Missgeschicke in der Kommunikation hatten. Selbstverständlich hat es zwischendurch negative Meldungen gegeben oder kritische Stimmen, aber das hat sich immer im Rahmen gehalten. Dank dieser Pressekonferenz hat man uns als gut organisiert und in der Kommunikation professionell wahrgenommen. Gläubigerversammlungen und dergleichen gehören einfach zu einem solchen Verfahren, diese waren nur insofern ungewöhnlich, als dass sie zum Teil sehr gross waren mit sehr vielen Beteiligten.

Welche Rolle erfüllte die Kommunikation an die breite Öffentlichkeit über den unmittelbar betroffenen Gläubigerkreis hinaus? Was ist die funktionale Rolle der Kommunikation in einem derart prominenten Verfahren?

Wüthrich: Es geht im Wesentlichen darum, dass mit Kommunikation das Verfahren in geordneten Bahnen gehalten werden kann und nicht von einzelnen Parteien wie Gläubigern oder andere Beteiligten gestört wird. Zudem geht es auch darum, die Erwartungen nicht nur bei den Direktbeteiligten, sondern auch in der Öffentlichkeit in die richtige Richtung zu lenken. Wenn wir eine Nachlassdividende von 10 Prozent versprechen, aber nur 9,5 Prozent erreichen, sind alle unzufrieden. Wenn wir 9 Prozent prognostizieren und 9,5 Prozent erreichen, ist die Stimmung besser. Managing Expectations ist hier das Stichwort.

Beck: Eine weitere Herausforderung zu Beginn war die Aufklärung der breiten Öffentlichkeit, was ein solches Verfahren überhaupt beinhaltet, und wohin es führt. Das sind komplizierte juristische Prozesse und für Laien oft schwierig nachzuvollziehen. Gerade auch die tausenden von Mitarbeitenden der Gesellschaften, die damals noch formell angestellt waren, wollten wissen, wie es weitergeht, und was sie noch erwarten können. Es ging darum zu informieren und Ängste abzubauen.

Welche Lehren geben Sie einen Sachwalter oder Liquidator mit auf dem Weg, der heute in einen solchen Fall gerät?

Wüthrich: Ich empfehle ihm die vorletzte Ausgabe der Zeitschrift "ZZZ" zu lesen. Dort drin ist ein Artikel von mir publiziert zum Thema Kommunikation bei der Abwicklung einer Nachlassstundung.

Geben Sie mir die Essenz davon mit auf dem Weg?

Wüthrich: Erstens, man muss allen Beteiligten den Prozess erklären, was wie lange dauert, und welche juristischen Schritte man einhalten muss. Da sind wir wieder beim Management der Erwartungen. Zudem muss man darauf achten, dass der Sachwalter selbst nicht zur Partei wird und nicht ins Schussfeld gerät. Denn es wird immer Leute geben, die versuchen, den offiziellen Prozess zu beeinflussen oder gar zu stören. Der Sachwalter soll als neutral wahrgenommen werden, und er muss adäquat zu allen Anspruchsgruppen kommunizieren. Da spielt eine ruhige und konstante Kommunikation eine grosse Rolle.

Sie haben während langer Zeit jede Woche einen Bericht zum aktuellen Stand des Verfahrens veröffentlicht. Welche Rolle erfüllten diese Wochenberichte?

Wüthrich: Erstens haben wir damit erreicht, dass der Eindruck entsteht, dass das Verfahren ordentlich und professionell abgewickelt wird. Und zweitens konnten wir mit dem Wochenbericht verhindern, dass wir ständig Medienanfragen beantworten mussten. Die Journalisten wussten, am Freitag erscheint jeweils das neuste Update zum Verfahren, und was die nächsten Schritte sind. Diese Kommunikationsstrategie war sehr hilfreich.

Beck: Wir haben da einen grossen Lernprozess durchgemacht. Ich glaube nicht, dass wir je einen Liquidationsfall gehabt haben mit ähnlich grossem Medieninteresse. Mit Ihnen zusammen haben wir ein Konzept ausgearbeitet, wie wir vorgehen können. Da haben Sie uns sehr geholfen.

Ich finde auch, dieser Wochenbericht in Verbund mit der Website, war eine sehr gute Sache, weil Sie damit die Zügel selbst in die Hand nehmen und nicht immer unter dem Druck der Ereignisse, respektive unter dem Druck der Medienanfragen, operieren mussten. Im Umgang mit den Medien braucht es gelegentlich aber auch Interviews und den persönlichen Austausch. Wie sind Sie, Herr Wüthrich, damit umgegangen, sozusagen über Nacht sehr prominent geworden zu sein?

Wüthrich: Ich glaube, da gibt es ein paar kleine Dinge, die man gut oder schlecht machen kann. Ich behaupte, man muss demütig damit umgehen und sich ja nicht von der Presse auf ein Podest hinaufjubeln lassen, weil die gleiche Presse dann selbstverständlich bei der ersten Gelegenheit dafür sorgt, dass das Podest wieder zusammenbricht. Es ist uns ganz gut gelungen, dass praktisch keine Presseartikel zu mir als Privatperson erschienen sind, sondern nur zu meiner Funktion als Liquidator oder Sachwalter. Ich hätte auch nie einen Journalisten in mein Büro gelassen. Das ist mein Büro und nicht das Büro der Öffentlichkeit. Ebenso wenig hätte ich einen Journalisten zuhause empfangen.

Beck: Wir hatten auch teilweise abstruse Fragen bezüglich Photographien. Das haben wir immer alles abgelehnt. Immer professionell eine Linie durchhalten und dann funktioniert’s. Alles andere rächt sich dann mit der Zeit.

Wenn ich 20 Jahre vor spule. Wo stehen Sie denn heute im Prozess? Was ist abgeschlossen und was nicht?

Wüthrich: Wir sind auf der Zielgeraden. Das Flightlease-Verfahren, das Kleinste, das ist fertig. Das Verfahren der SAirLines kann in den nächsten Monaten abgeschlossen werden. Bei der SAirGroup müssen wir noch eine Pendenz erledigen. Der Abschluss der Verfahren wird noch Zeit in Anspruch nehmen. Bei der SAirGroup sprechen wir von rund 12'000 Gläubigern, mit denen wir das Verfahren abschliessen und an die wir Gelder auszahlen müssen. Das ist sehr aufwändig. Die Swissair ist im Wesentlichen in der Auseinandersetzung mit der Sabena blockiert, und leider ist die Gegenseite in diesem Bereich nicht bereit, vernünftige Lösungen zu finden. Und ich befürchte, dass uns diese Geschichte noch einige Jahre in Anspruch nehmen könnte.

Hätten Sie das auch gedacht vor 20 Jahren, dass das so lange dauern wird?

Wüthrich: Ich habe gewusst, dass diese Verfahren lange dauern. Nur schon der Prozess um die Definition der Forderungssumme der Sabena gegenüber der SAirGroup und der SAirLines hat zehn Jahre gedauert! Man könnte versuchen, alles zu beschleunigen, aber dann bin ich überzeugt, dass das Resultat für die Gläubiger schlechter herauskommt.

Was waren weitere Lehren aus der Zeit aus Ihrer Sicht?

Wüthrich: Was ich immer sehr geschätzt habe an unserer Zusammenarbeit – und sich im Nachhinein als äusserst wichtig erwiesen hat – ist, dass wir von Ihnen nie dazu überredet wurden, irgendetwas zu kommunizieren, was wir nicht wollten. So konnten wir immer unsere Version der Geschichte im Originalton kommunizieren. Und in der Krise, da bin ich absolut überzeugt, muss authentisch kommuniziert werden. Sie standen nie als Kommunikationsberater zwischen uns und der Öffentlichkeit oder den Medien, sondern haben uns im Hintergrund unterstützt. Und so sollte es auch sein in einer Krisensituation.

Wir freuen uns auf neue Herausforderungen. Für ergänzende Auskünfte über uns und unsere Leistungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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