IRF-Fallstudie: Der grösste Covid-Rechtsfall der Schweiz

04.02.2025

Der Fall zeigt exemplarisch, wie Krisen durch Rechtsfälle verursacht werden können. Die Staatsanwaltschaft eröffnete bei diesem grössten öffentlich bekannten Covid-Rechtsfall in der Schweiz ein Strafverfahren gegen drei Tochtergesellschaften eines Schweizer Unternehmens. Dabei untersuchte die Polizei die Geschäftsräume des Unternehmens und nahm sieben Personen fest, darunter zwei Führungskräfte.

Der Vorwurf lautete auf Betrug bezüglich unrechtmässiger Inanspruchnahme von Covid-Kurzarbeitsentschädigungen. Vier Monate nach Eröffnung des Strafverfahrens trat das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) auf den Plan und forderte die vollständige Rückzahlung dieser Kurzarbeitsentschädigungen.

Ein Fall fürs Lehrbuch

Das Beispiel zeigt einige Herausforderungen in Krisensituationen exemplarisch auf:

  • Erstens - das Krisenmanagement: Dem Unternehmen kamen zum Start der Krise die beiden zentralen Führungspersonen abhanden. CEO und COO wurden ab der Hausdurchsuchung in Untersuchungshaft genommen und blieben wochenlag von der Aussenwelt abgeschnitten. An ihrer Stelle übernahm der VR-Präsident die Leitung des Krisenmanagements, unterstützt vom gesamten Verwaltungsrat und ausgewählten Führungskräften. Niemand war auf eine solche Rolle oder Situation vorbereitet.
  • Zweitens - die zeitliche Dringlichkeit: Da börsenkotiert, musste das Unternehmen den Kapitalmarkt rasch über das Verfahren und die U-Haft der Manager orientieren. Eine erste Medienmitteilung wurde am Folgetag um 7.00 Uhr publiziert, rund 24 Stunden nach Beginn der Hausdurchsuchungen. Weitere Mitteilungen folgten in den Tagen danach.
  • Drittens - in Zusammenhang mit zweitens, die angemessene Darstellung des Sachverhalts und die Isolierung des Problems, beides in Unkenntnis der genauen Sachlage: Was ist an den Vorwürfen des Staatsanwaltes dran? Wie soll sich das Unternehmen dazu stellen? Wie hoch sind die möglichen Bussen oder Strafzahlungen, wie schwerwiegend somit die finanziellen Implikationen? Wie wird sich das Verfahren auf das Geschäft auswirken? Wie transparent sollen die Vorwürfe bekannt gemacht werden? Das Unternehmen nannte bereits in der ersten Medienmitteilung das Total der ausgerichteten Kurzarbeitsentschädigungen von CHF 28.5 Mio. und machte ab der Erstkommunikation transparent, welche Personen aus den Leitgremien vom Verfahren betroffen sind.
  • Viertens - in Zusammenhang mit erstens, die Frage, wer in Abwesenheit von CEO und COO die Sprecherrolle übernehmen soll: Als Schlüsselpersonen fungierten ab Beginn der Krise die interimistisch eingesetzte CEO, gegenüber den Investoren und Medien unterstützt vom VR-Präsidenten und dem CFO.
  • Fünftens - nach dem ersten Schock: Die strategische Frage, wie Reputationsfaktoren bei VR-Entscheiden zu gewichten sind und, konkret, was Kommunikation in einer Krise leisten kann. Zentral war dabei die Diskussion, welche materiellen Entscheide zu fällen sind, um das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen – siehe nächster Abschnitt.

Taten sagen mehr als Worte

Das Beispiel dieses Falles zeigt, dass Resultate und Taten in einer Krise vielfach mehr sagen als Worte. Zum einen profitierte das Unternehmen davon, dass sich das Strafverfahren und Führungsvakuum nicht direkt auf das Geschäft übertrug. Die finanzielle Performance war in den Quartalen nach der Eröffnung des Strafverfahrens in Ordnung. Zum anderen trugen einige Entscheide des Verwaltungsrates dazu bei, die Situation zu normalisieren:

  • Zu Beginn der Krise zog das Unternehmen die Publikation der Halbjahresresultate vor, um dem Kapitalmarkt rasch die aktuellen Ergebnisse zu kommunizieren. Noch wichtiger war, den Investoren kurz nach Untersuchungseröffnung und mitten in der Hauptsaison auf Basis konkreter Buchungsdaten zu bestätigen, dass das Geschäft rund lief und von den Problemen nicht überschattet wurde.
  • Im November 2022, rund vier Monate nach Untersuchungseröffnung, kündigte der Verwaltungsrat eine komplette Erneuerung der Leitungsgremien an. Der bisherige CEO und COO, inzwischen aus der Untersuchungshaft entlassen, hatten ihren Rücktritt eingereicht.
  • Im Dezember 2022 übernahm ein neuer Verwaltungsrat und ein neuer CEO das Zepter.
  • Der neu bestückte Verwaltungsrat beschloss an seiner ersten Sitzung im Dezember 2022, das Verdikt des SECO zu akzeptieren. Das ermöglichte die rasche Rückzahlung der geforderten Summe und damit die Beendigung des Verfahrens aus Unternehmenssicht (das Strafverfahren richtet sich nur an natürliche Personen).

Zwar erlangte das Unternehmen das Vertrauen des Kapitalmarktes schrittweise zurück. Aufgrund von allerlei Sachzwängen dauerte dies aber länger, als es zwingend nötig gewesen wäre. Auch wurde das Unternehmen für die Anmerkung in der Erstkommunikation kritisiert, dass kein Fehlverhalten vorliege. Diese Haltung erwies sich im späteren Verlauf als voreilig. Zudem bot das Unternehmen lange wenig konkrete Informationen über die Art der Vorwürfe oder geplante Massnahmen zur Aufklärung der Situation. Rund für fünf Monate nach der Hausdurchsuchung, als der neue Verwaltungsrat und ein neues Management die Führung übernahm, gewann das Unternehmen auch in Sachen Vertrauensbildung Oberwasser.

IRF hat das Unternehmen in dieser Krise umfassend unterstützt, indem es nicht nur beratend zur Seite stand, sondern auch die Kommunikationsstrategien entwickelt und bei deren Umsetzung mitgewirkt hat. Zudem übernahm IRF die Rolle des Mediensprechers.

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