Mittelfristprognose gewinnt bei grossen Schweizer Unternehmen an Popularität
08.07.2024
Die überwiegende Mehrzahl der grössten börsenkotierten Schweizer Unternehmen (SMI Expanded) hat auch in der Jahresberichterstattung 2023 zukunftsgerichtete Zielgrössen in Form einer finanziellen Guidance veröffentlicht. Laut einer von IRF – ein führendes Beratungsunternehmen für strategische Kommunikation – regelmässig durchgeführten Studie zeichnet sich ein Trend hin zur Bekanntgabe von Mittelfristprognosen ab. Kurzfristige Prognosen sind jedoch weiterhin der Standard. Erstmals publizieren 100% aller Unternehmen aufgrund neuer nichtfinanzieller Publikationspflichten klimabezogene Prognosen.
Fast alle der im SMI Expanded enthaltenen Schweizer Gesellschaften gaben im Rahmen ihrer Geschäftsberichterstattung zum Geschäftsjahr 2023 eine qualitative oder quantitative Guidance ab (93%). Im Vorjahr waren es noch 98%. Eine grosse Mehrheit (85%) machte dabei qualitative und quantitative Angaben. 2022 waren es 80%. Der Anteil der Unternehmen, die qualitative Messgrössen publizierten, lag bei 89% und hat sich gegenüber 2022 nicht verändert. Leicht gesunken ist die Anzahl Firmen, welche quantitative Messgrössen publizierte. 2023 waren dies 87%, 4 Prozentpunkte weniger als 2022. Beinahe drei Viertel der untersuchten Unternehmen veröffentlichten den Ausblick für das laufende Geschäftsjahr in einem eigenen Kapitel im Geschäftsbericht – eine Steigerung von über 5% gegenüber 2022.
Oliver Seifried, Partner von IRF, kommentiert: «Der Anteil grosser börsenkotierter Schweizer Unternehmen mit Mittel- und Langfristprognosen wird immer grösser. Die Unternehmen kommen damit den Anforderungen von institutionellen Investoren nach möglichst hoher Transparenz zur zukünftigen Entwicklung entgegen. Diesem Trend folgt auch die gestiegene Professionalität der Guidance durch die Unternehmen, die strategischen Ziele mit Key Performance Indicators zu unterlegen und dem Ausblick in einem eigenen Kapitel im Geschäftsbericht den dafür nötigen Raum zu geben. Entscheidend dabei ist, dass die Unternehmen dasselbe Konzept über einen längeren Zeitpunkt anwenden. Ändern sich die Rahmenbedingungen, wie 2023 mit dem verstärkten Aufkommen geopolitischer Risikofaktoren, sollten diese transparent und nachvollziehbar dargelegt werden.»
Umsatz und operatives Ergebnis bleiben wichtigste Zielgrössen
Beim quantitativen Ausblick kommentieren die Unternehmen weiter klar am häufigsten den Umsatz und das operative Ergebnis (EBIT, EBITA oder EBITDA) mit 85% respektive 78%. Beide Werte sind gegenüber dem Vorjahr angestiegen (2022: 82% respektive 62%), die Zielgrössen in Bezug auf die operativen Ergebnisse jedoch markant stärker. «Dass das operative Ergebnis wieder vermehrt in die Guidance eingeflossen ist, dürfte verschiedene Hintergründe haben. Zum einen haben sich die Firmen in Bezug auf Lieferkettenprobleme neu aufgestellt und können solche Risiken besser managen. Ebenso hat sich der Inflationsdruck weitgehend gelöst und die Kosten lassen sich eher abschätzen. Darüber hinaus haben viele Unternehmen die einschneidenden Ereignisse der letzten Jahre genutzt, um ihre Kostenbasis zu optimieren und erhoffen sich, wieder von besseren Skaleneffekten profitieren zu können. Damit dürfte es den Firmen leichter fallen, Profitabilitätsziele zu publizieren», sagt Yasemin Diethelm-Ersan, Senior Consultant bei IRF.
Die Zielgrösse Cashflow bleibt konstant beliebt und fand bei 30% (2022: 31%) der Unternehmen Anwendung im Ausblick. Nur minim angestiegen sind die Angaben zum Gewinn oder Gewinn pro Aktie, um einen Prozentpunkt auf 28%. Die Angaben zur künftigen Dividende (26%) erhielten klar weniger Gewicht als noch 2022 (33%), als der Dividendenausblick gerne als beständige Grösse in unsicheren Zeiten erwähnt wurde. Die prozentuale Nennung der Eigenkapitalrendite blieb unverändert bei 9%.
Bei den internen Parametern spielten auch 2023 die Entwicklung einzelner Geschäftsfelder oder Produktgruppen die wichtigste Rolle. Die Angabe wurde bei 39% der Unternehmen gemacht (2022: 38%). Auffallend gestiegen sind die Angaben zu Kosteneinsparungen respektive betrieblicher Effizienz von 29% auf 35%, während die geografische Verankerung mit 22% im Ausblick Platz fand (2022: 18%). Die Marktposition fand in der Guidance für 2024 lediglich bei 13% der Unternehmen Erwähnung, ein Rückgang von 11 Prozentpunkten zum Vorjahr. Auch die Entwicklung gegenüber dem Markt ging von 18% auf 13% zurück.
Bei den externen Faktoren dominieren auch 2023 die Beschreibung der Marktsituation (74%; 2022: 78%) und des konjunkturellen Ausblicks (65%; 2022: 67%). Gestiegen sind aus aktuellem Anlass die Angaben zu den Währungsprognosen (28%; 2022: 22%). Auch der markante Anstieg um 15 Prozentpunkte auf 37% der Nennung geopolitischer Risikofaktoren in der Guidance sowie die deutlich weniger oft genannte Lieferkettenproblematik (20%; 2022: 33%) widerspiegeln das aktuelle Umfeld der Unternehmen.
Mittelfristprognose gewinnt an Popularität
In der diesjährigen Untersuchung gaben 83% der Unternehmen eine kurzfristige Prognose über zwölf Monate ab. Dies ist eine Abnahme von acht Prozentpunkten gegenüber 2022. An Relevanz gewonnen hat die Mittelfristprognose über zwei bis drei Jahre, mit einem Anstieg auf 76% gegenüber 64% in der Umfrage von 2022. Damit hat die Mittelfristprognose einen weiteren Sprung gemacht. 2019 lag der Anteil noch bei 42%. Auch der Anteil der Langfristprognosen (3-5 Jahre) nimmt stetig zu und erreichte 2023 22% (2022: 18%, 2019: 16%). Während der Rückgang bei der kurzfristigen Prognose als Antwort auf die Unsicherheiten der vergangenen Jahre interpretiert werden darf, zeigt der Anstieg der Mittel- und Langfristprognosen gleichzeitig das Bedürfnis nach mehr Informationen zum Ambitionsniveau seitens langfristig orientierter, institutioneller Investoren. Inzwischen unterlegen bereits 61% der Unternehmen ihre strategischen Ziele mit Key Performance Indicators (2022: 52%; 2019: 38%).
Bereits 2022 zum Standard geworden in der Jahresberichterstattung grosser kotierter Schweizer Unternehmen sind Prognosen und Zielsetzungen zu ökologischen und sozialen Faktoren. 2023 stieg der Anteil der Angaben zu ökologischen Faktoren aufgrund der Einführung der obligatorischen nichtfinanziellen Berichterstattung von 96% auf 100%. Vier Jahre zuvor lag dieser Wert noch bei gerade 38%. 96% äusserten sich auch zukunftsgerichtet zu sozialen Faktoren (2022: 91%). 2019 waren es noch 43% der Unternehmen.
Die vollständige Publikation steht hier zum Download zur Verfügung.