«Aktionäre waren schon vor zwanzig Jahren fordernd.»

Dr. Bernd Pfister, CEO Paros Capital AG, Verwaltungsrat IRF Reputation AG

Sie begleiten IRF seit einiger Zeit als externer Verwaltungsrat. Derzeit erleben wir sehr turbulente Zeiten, Stichwort hohe Inflation, drohende Energiemangellage, Deglobalisierung mit gestörten Lieferketten, wir haben noch Nachwehen der Pandemie, kriegerische Auseinandersetzungen in Europa und so weiter. Wie behält man hier als Unternehmer, Verwaltungsrat und Investor noch den Optimismus?

Man muss die langfristige Perspektive im Augen behalten. Der technische Fortschritt und die Innovation werden sehr leicht übersehen, aber im langfristigen Trend führt der Produktivitätsfortschritt und der technische Wandel zu zwei bis drei Prozent Wachstum der globalen Wirtschaft. Um das nur in Perspektive zu setzen, das ist grösser als das GDP von Italien in einem Jahr. Das ist ein Grund, warum seit 1900 die Aktien die grössten Vermögenszuwächse erfahren haben und auch weiterhin über die nächsten hundert Jahre die beste Asset-Klasse sein werden. Ich denke, dass die Medien sehr schnell Kriege und andere Krisen in den Fokus setzen. Aber in Wirklichkeit ist dieses positive Grundrauschen immer da. Von daher fällt es mir nicht schwer, optimistisch zu bleiben.

Auf die Rolle der Medien kommen wir später noch einmal zurück. Gerade als Verwaltungsrat ist heute viel mehr Wissen, Engagement, Professionalität gefordert, als das früher vielleicht der war. Ist Verwaltungsrat heute ein Hochrisikojob geworden?

Wenn man sein Handwerk nicht versteht, dann schon. Aber wenn man genügend Erfahrung in den Job mitbringt, ist das nicht der Fall. Man muss vorsichtig handeln. Das ist heute so, wie es auch vor zwanzig Jahren war. Bestimmte Risiken, die man nicht gewillt ist, selber zu tragen, lassen sich zudem versichern.

Das Erfolgsmodell Schweiz wird von verschiedenen Seiten gefordert. Ein Stichwort sind Einschränkungen des Steuerwettbewerbs, wo der Druck von aussen immer stärker wird. Wie kann die Schweiz ihre Vorteile im internationalen Wettbewerb weiterhin festigen und behalten?

Die Schweiz sollte weiterhin auf ihre natürlichen Stärken setzen. Wir haben eine solide Wirtschaftspolitik, wir sind mit sehr soliden Fiskaldaten gesegnet, wir haben eine stabile politische Lage, sind wettbewerbsfähig und innovativ. Die Schweiz ist eines der einzigen Länder der Welt, das ein Freihandelsabkommen mit China hat und einen Handelsbilanzüberschuss mit China entwickelt. Wir haben Handelsbilanzüberschüsse und Leistungsbilanzüberschüsse mit Europa, und das stärkt auch den Schweizer Franken. So gesehen ist die Schweiz sehr gut aufgestellt, um auch weiterhin wettbewerbsfähig zu sein.

Sie sind nicht nur in der Schweiz, sondern auch in ausländischen Unternehmen investiert und tätig. Treffen die aktuellen Herausforderungen die Schweiz anders als das umliegende Ausland?

Ich denke, dass viele der Herausforderungen zwar globaler Natur sind (Lieferketten, Kriege, Krankheiten), aber die Schweiz hat eine erheblich bessere Ausgangslage, diese Krisen zu bewältigen aus den Gründen, die ich vorhin schon erwähnt habe. Aber auch aus spezifischen Gründen, zum Beispiel die relativ tiefe Inflationsrate im Vergleich mit dem Ausland. Die Konsumenten in der Schweiz haben dieses Jahr mit drei, vielleicht vier Prozent Inflation zu kämpfen. Das ist für Schweizer Verhältnisse schon aufregend, aber das muss man in Perspektive setzen mit England, das beispielsweise mit zwölf bis dreizehn Prozent Inflationsdaten rechnet.

Eine Eigenheit oder eine Qualität der Schweiz ist, dass wir immer wieder innovative Lösungen entwickeln. Selbst der traditionelle Finanzplatz zeigt neue Marktsegmente und Cluster, wie die ganze FinTech, Blockchain-, Krypto-Industrie, die gerade in der Schweiz stark im Vormarsch ist. Wie nachhaltig sehen Sie diese neuen Entwicklungen im Finanzwesen?

Ich bin seit dreissig Jahren im Bereich Venture Capital tätig und bin immer bemüht, mich neuen Technologien und Trends aufgeschlossen zu zeigen. Ich bin positiv überrascht, dass trotz der augenscheinlichen Volatilität in den Kryptowährungen und Problemen, die man in den Zeitungen liest, da ein agiles Ökosystem an Unternehmer und Startups unterwegs ist, das überzeugende technologische Lösungen zu bieten hat. Ich möchte jedoch unterscheiden zwischen Kryptowährungen, die für mich nur eine mögliche Applikation für die Blockchain-Technologie darstellen, während andere Applikationen für die Blockchain-Technologie sehr nachhaltige und fundamentale Veränderungen tragen können. Ein Beispiel aus Afrika, das mich beeindruckt hat, war die Verschlüsselung von Katasterdaten und Grundbüchern mit der Blockchain-Technologie. Sechzig Prozent aller Rechtsfälle in Nigeria zum Beispiel sind Grundstückeigentumsstreitereien. Das wäre nicht nötig, wenn man mit einer Blockchain-Technologie eine eineindeutige Codierung von Eigentumsverhältnissen hätte. Dieser Lösungsansatz könnte für einen Kontinent wie Afrika eine „Trillion-Dollar-Solution“ sein. Das ist in der Tat volkswirtschaftlich wünschenswert und nachhaltig. Das ist nur an einem Beispiel illustriert, was dieser technische Fortschritt bieten kann, und es ist schön, dass wir in der Schweiz eine dynamische Entwicklung auf dem Thema haben. Von daher bin ich sehr positiv gestimmt, dass die Schweiz neue Themen besetzen kann und international dort wettbewerbsfähig ist.

Grosse und zum Teil neue Themen in der Unternehmensführung sind Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Kommunikation. Wie verändert sich nun die Führung einer Organisation, einer Unternehmung anhand dieser neuen Trends?

Die drei Themen sind sehr unterschiedlich. ESG ist aus meiner Sicht eher ein Flavour of the Day, ein Marketing-Konzept. Aus meiner Sicht hat sich ein ordentlicher Kaufmann, der vor fünfzig Jahren ein Unternehmen geführt hat, schon damals an die ethischen Grundlagen gehalten. Er hat verantwortungsvoll der Gesellschaft gegenüber gedient und keinen Dreck in den Fluss geschmissen. Das sollte sich auch heute nicht ändern. Dazu braucht es keine ESG-Richtlinien, die sehr fadenscheinige Resultate zeitigen. Beispielsweise ist Atomenergie einmal böse, und jetzt bekommt es ein ESG-Siegel und ist eine grüne Technologie. Völlig anders ist es mit der Digitalisierung. Diese verändert fundamental alle Geschäftsprozesse in einem Unternehmen. Ich habe in siebzig Verwaltungsräten gedient und in all diesen Unternehmen haben sich die Wertschöpfungsprozesse durch die Digitalisierung fundamental verändert. Ein Teil davon ist Ihr letzter Punkt, die Kommunikation. Das hat sich im Laufe der letzten Jahre auch stark gewandelt, einerseits weil die Medienlandschaft sich ständig verändert und weil innerhalb der Kommunikation andere Schwerpunkte gesetzt werden. Vor zwanzig Jahren war achtzig Prozent der Kommunikationsarbeit gekaufte Kommunikation, sprich Werbung. Heute sind Instrumente wie Investor Relations, Public Relations, aktive Kommunikation über Press Releases und das Besetzen von Themen viel wichtiger.

Gerade die Kommunikation oder die Medienkanäle haben sich nicht nur digitalisiert, sie haben sich demokratisiert. Heute kann jeder und jede sein eigenes Medium sein, man kann sich über Social Media verlautbaren, man ist nicht mehr angewiesen auf die Gatekeeper-Funktion von wenigen und staatlichen Medien. Was bedeutet dieses fragmentierte Umfeld der Medienlandschaft für Unternehmen und ihre Art zu kommunizieren?

Es ist viel schwieriger geworden. Früher konnte man sich leichter positionieren, indem man sich über die Top-Medien oder Fernsehsender positioniert hat. Da konnte man mit fünf, sechs zugewandten Orten eine maximale Reichweite bedienen und die Bevölkerung sehr homogen abdecken. Durch die heutige Fragmentierung in der Kommunikation, muss man seine Nachricht ebenfalls fragmentieren und über verschiedene Kanäle an verschiedene Zielgruppen verteilen. Das macht die Unternehmenskommunikation erheblich schwieriger und wesentlich risikobehafteter, als das vor zwanzig Jahren der Fall war.

Steigt dadurch die Gefahr von aktivistischen Aktionären, dass mehr Forderungen von den Aktionären an die Unternehmen herangetragen werden?

Die Aktionäre waren schon vor zwanzig Jahren fordernd. Man hat heutzutage als Unternehmer mehr Stakeholder zu bedienen, als das früher der Fall war. Vor zwanzig Jahren war man stärker auf den Shareholder Value fokussiert und hat seiner Investoren-Basis gedient. Heute kann man sich nicht mehr darauf beschränken und alle unternehmenspolitischen Entscheidungen unter dem Primat des Shareholder Values durchsetzen, sondern man muss auf alle Stakeholder in der Gesellschaft Rücksicht nehmen, und das macht die Aufgabe der Unternehmensführung schwieriger und risikoanfälliger, als das früher der Fall war.

Was sind Ihre persönlichen Wünsche für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Schweiz?

Ich würde mir wünschen, dass wir uns auf unsere Stärken konzentrieren, dass wir eine differenzierte, liberale und von der Selbstverantwortung der Menschen getriebene Wirtschaftspolitik verfolgen. Dass wir den eingeschlagenen Weg verstärkt weiterführen und uns nicht so sehr an die Vorgaben aus Europa halten, sondern konsequent einen eigenen Weg gehen und versuchen, mit allen Wirtschaftsblöcken eine offene Kommunikation zu pflegen. Ich plädiere dafür, uns der Deglobalisierung nicht anzuschliessen, sondern uns allen Blöcken gegenüber weltoffen zu verhalten. Das würde langfristig für die Schweiz die besten Voraussetzungen liefern.

Wir freuen uns auf neue Herausforderungen. Für ergänzende Auskünfte über uns und unsere Leistungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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